Jahrestagung der Europaschulen
19./20.11.2008
„Europa – Lernen am anderen Ort“
Als ich von Frau Wessin angesprochen wurde, ob ich zum diesjährigen Europaschultreffen fahren würde, hatte ich erst einmal ein großes Fragezeichen im Kopf. Dieses Fragezeichen verschwand durch ein paar Antworten bezüglich Unterbringung und Programm ziemlich schnell und ich bekam Lust auf das Europaschultreffen. Im nächsten Moment bemerkte ich, wie wenig ich eigentlich über die Arbeit der Europäischen Union wusste. Wenn mich jemand nach einem Europaparlamentsabgeordneten oder einer der Institutionen gefragt hätte, wäre bestimmt keine gescheite Antwort aus mir herausgekommen, obwohl ich Europäer bin. „Wir sind Europa“ sollte ich später beim Planspiel des Junior-Teams Europa lernen.
Um die Interaktionen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission zu verdeutlichen, wurde ein Gesetzentwurf zum Thema Klimapolitik der EU vorgeschlagen und solange durch die Institutionen gejagt, bis schließlich eine europaweite Richtlinie verabschiedet wurde.
Das Interessante daran ist, dass wir Schüler in verschiedene Gruppen eingeteilt wurden, wobei manche Pressearbeit betrieben, die Interessen der Wirtschaft oder einer Umweltorganisation vertraten oder ein Mitglied in einer der Institutionen spielen durften.
Ich wurde der Europäischen Kommission zugeteilt, welche als einzige ein Gesetzesinitiativrecht besitzt. Nur wurde uns leider ein Gesetz vorgeben. Dies waren die originalen Richtlinien der EU zur Senkung von CO2-Emissionen und dem teilweisen Umstieg auf erneuerbare Energien.
Jedoch kam mir als Kommissar die Aufgabe zu, zwischen den Interessen von Parlament und Rat zu arbeiten und Kompromisse zu finden, wobei immer die Richtlinien im Auge behalten werden sollten.
Nach einigem Hick-Hack zwischen den beiden Gremien kamen wir letztendlich zu einer verschärften Version des eigentlichen Abkommens der EU mit höheren Anforderungen und meiner Meinung auch noch geringerem Realisierungspotenzial
Am nächsten Morgen nahm ich am
„Europa-Knigge“ teil, welcher von 4 ausländischen Schülern
mit reichlich Inhalt gefüllt wurde. So erfuhr ich, dass die Russen
doch nicht so viel Wodka trinken, wie alle sagen und dass Nastrowje ein
erfundenes Wort der Deutschen ist! In Frankreich muss man ziemlich
aufpassen, wie man sein Gegenüber beim Treffen küsst. Ob nun
2, 3 oder 4 Küsschen, ob links zu erst oder doch lieber rechts,
habe ich leider nicht ganz verstanden, aber wir Deutschen bevorzugen
doch sowieso einen kräftigen Händedruck. Ähnlich wie die
Briten und Russen, wo ein zu langer oder ein zu „weicher“
Händedruck nicht gern gesehen ist. In England darf man den
Ladenbesitzer auch nicht besonders lange nach dem Einkauf
verabschieden, da dieser sonst denkt, dass man ihn kennen lernen
möchte. Die Dänen, wie ich erfuhr, stellen sich nur mit ihrem
Vornamen vor und es wird als abweisend gesehen, wenn jemand mit dem
Nachnamen angeredet wird, als ob man auf einer gewissen Distanz bleiben
und den anderen nicht näher kennen lernen möchte.
Anschließend hörte ich zwei
Referate über deutsch-russischen und deutsch-französischen
Jugendaustausch, die beide den Schwerpunkt darin setzten, dass der
internationale Jugendaustausch gut gefördert werde, es jedoch
nicht genügend Interessenten für eine Schulpartnerschaft in
Deutschland gebe. Die Fremdsprachenauswahlmöglichkeiten
müssen laut der Referenten ausgeweitet werden, aber auf jeden Fall
nicht gekürzt werden.
Zum Schluss der Tagung kam Frau Angelika Beer zu uns, die als
Abgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Europaparlament
sitzt. Sie erzählte von dem Alltagsleben eines
Europaparlamentariers, das im Kern darin besteht herumzureisen und an
Abstimmungen teilzunehmen. Die eigentliche Politik wird aber in den
Fraktionen, z.B. der Grünenfraktion der EU und in den
Ausschüssen, z.B. dem Sicherheitsausschuss, gemacht. Das Parlament
musste sich das Mitentscheidungsrecht jedoch regelrecht erkämpfen,
da die Minister der EU-Staaten, welche im Europäischen Rat sitzen,
gerne auf das Parlament verzichten wollten. Doch gerade dieses
Parlament wird von den Menschen in der EU direkt gewählt, was
ihnen ein gewisses Mitsprache- und Entscheidungsrecht sichern sollte,
da sie die Meinungen der Menschen der EU vertreten. Doch hier werden
auch die heutigen Grenzen der EU sichtbar.
Dass allgemein bekannt ist, was die EU genau tut, kann man wohl eher nicht sagen.
Jetzt kenne ich gerade mal eine Abgeordnete und so sicher über
ihre Funktion und Interessen bin ich mir immer noch nicht. Auch bei der
gemeinsamen Außenpolitik der EU-Staaten ist bisher nicht viel
möglich, da alle Entscheidungen einstimmig entschieden werden
müssen. Eine solche Außenpolitik ist durch die verschiedenen
Interessen in der EU wenig effektiv.
Wie man sieht, gibt einige Probleme mit der EU, die meine und
zukünftige Generationen mit Lösungen aus der Welt schaffen
müssen
Eines ist jedoch ziemlich klar: Die EU gewinnt immer mehr an
politischem Einfluss und an Wichtigkeit für alle Menschen in
Europa. Deswegen sollten wir uns meiner Meinung nach auch schulisch
viel früher und intensiver mit Europa auseinander setzen.
Schließlich sind wir Europa!
Nils Gravenhorst
25.11.2008
Thomas-Mann-Schule – Thomas-Mann-Str. 14 – 23564 Lübeck – Tel. 0451/1228614 – Fax. 0451/1228621